Hirosaki -- Kirschblüten, ein versetzter Burgturm und schöne Parks 25.4.2016
Ich erreichte Hirosaki am späten Mittag nach der planmäßigen Bahnfahrt. Von meiner Unterkunft war ich nach Minami-Senju gegangen und hatte mich gegen 08:20 in die TokyoMetro Hibiya-Line gestopft. Einen Zug ließ ich schon passieren, aber dann sagte ich mir, es wird nicht besser, also einfach mit reinquetschen. Man könnte meinen, die Linie wäre eine Station vom Anfang weg noch nicht sehr voll, aber die Züge fahren wie auf einigen anderen Linien in Tokyo als Vorortzüge, in diesem Fall der Tobu Railways, nach Tokyo hinein und werden zu TokyoMetro-Zügen - manche wechseln sogar am anderen Ende nochmal den “Betreiber” zu einer dritten Gesellschaft. Entsprechend sind die Linienpläne im Zug dann auch nicht nur die für TokyoMetro, sondern für das Tobu-Netz, je nachdem über welcher Tür man guckt.
Nach drei Stationen kam ich schon verschwitzt in Ueno an, um dann den Komfort des reservierten Sitzes im 08:46 Hayabusa 7 Shinkansen bis Shin-Aomori zu genießen. JR East schickt über weite Teile des Tages alle vier Minuten einen Shinkansen auf den Weg. Am Endbahnhof Tokyo dienen vier Gleise dazu, den nötigen Aufenthalt der Züge für den Fahrgastwechsel und die Zwischenreinigung (Sitze drehen automatisch, neue Kopfpolsterservietten verteilen, Müll und Fundsachen einsammeln) von 10-12 Minuten sicherzustellen, alles ist eng getaktet, funktioniert aber wie am Schnürchen.
Die Wege sind super ausgeschildert, die Leute verhalten sich vernünftig, so bin ich von der Ankunft mit Hibiya Line gegen 08:30 in etwa 10 Minuten Minuten durch das Ticket Gate der Metro raus, in den JR-Bahnhofsbereich, durch das JR Central Gate mit Abstempeln meines neuen Railpasses, und durch das Shinkansen-Ticketgate im B3F Shinkansen-Zwischengeschoss.
Der Shinkansen-Bahnhof in Ueno ist tief vergraben, die Gleise befinden sich im B4F. In Ueno werden die zwei Gleise eines Bahnsteigs abwechselnd für Züge nach Norden benutzt, und pro Gleis ist bei jeder Türposition eine Anstellspur für den ersten Zug und auch schon eine für den darauffolgenden Zug markiert. Der andere Bahnsteig hat zwei Gleise Richtung Tokyo, die primär zum Aussteigen benutzt werden. Der Hayabusa hat nur reservierte Sitze, ich ging also zu der passenden Tür für meinen Wagen, in diesem Fall den sehr kurzen Wagen 1 am Zugende (Wagen 1 ist bei den JR East Shinkansen immer an dem Ende, das Richtung Tokyo zeigt). Dieser 10-Wagen-Shinkansen fährt gekoppelt mit dem 7-Wagen Komachi bis Morioka, dort wird der Zug getrennt und der Komachi fährt nach Akita. Die Shinkansen haben unterschiedliche Wagenfarben je nach Linie. Wenn man also bei JR East Shinkansen-Züge sieht, bei denen verschiedene Farben gekoppelt sind, dann trennen die sich unterwegs auf.
Vom Klima draußen merkt man im Zug natürlich nichts. Aber kurz vor Morioka zeigt sich, dass ich die Kirschblütenfront wieder erreicht habe. Ein mit Nadelbäumen bestandener Hügel ist von einem Gürtel blühender Kirschbäume umgeben.
In Shin-Aomori steige ich in einen Zug der JR Ou Line nach Odate um und fahre bis Hirosaki. Es handelt sich um einen Vorortzug mit einer durchgehenden Sitzbank pro Wagenseite, aber glücklicherweise finden alle noch einen Sitzplatz. Unterwegs erhalte ich schon einen ersten Blick auf den “Hausberg” von Hirosaki, den Iwaki-san.
Die Touristeninfo gleich beim Bahnhof versorgt mich mit einem englischen Stadtplan. Für Touristen wurde ein 100-Yen-Bus eingerichtet, der in einer Schleife die meisten Sehenswürdigkeiten abfährt. Etwas außerhalb gibt es auch einen Apfelpark, die Gegend ist der größte Apfelproduzent Japans. Ich konzentriere mich für diesen halben Tag aber auf den Hirosaki Park rund um die Burg. Praktischerweise liegt mein Ryokan für die Nacht auf dem Weg, so dass ich dort schon mal meinen Koffer loswerden kann.
Die Allee vor dem Park zeigt schon, dass die Kirschblüte hier im vollen Gang ist, Laternen weisen auf das Matsuri hin.
Dieser Somei Yoshino Kirschbaum von 1882 soll der älteste in Japan sein. Er steht hinter dem Inneren Osttor.
Die Hauptwege im ausgedehnten Burgpark sind für das Kirschblütenfest mit Buden gesäumt, und es herrscht einiger Andrang.
Neben Verkaufsständen für Essen, Getränke und diversen Ramsch gibt es auch ein paar Schaugeschäfte, wie hier irgendwas mit Motorrädern.
Die Kirschblüte ist hier schon im fortgeschrittenen Stadium, entsprechend wirbelt der Wind immer wieder Blütenblättchen durch die Luft, und auf dem Wasser bildet sich stellenweise eine komplette Blütendecke.
Die Blütenblätter der Somei Yoshino sind so zart, dass sie durchscheinend sind, man kann durch ein aufliegendes Blütenblatt sogar lesen!
Auf einer Bühne gibt es ein kleines Konzert. Die Sängerin wird von einer Trommel und einer Tsugaru-Shamisen begleitet. Die Shamisen ist eine dreisaitige, hautbespannte Laute, die mit einem spachtelförmigen Plektrum gezupft und geschlagen wird. Die Tsugaru-Shamisen zeichnet sich durch einen besonders langen Hals aus.
Die Halbinsel, auf der Hirosaki liegt, wird Tsugaru-Halbinsel genannt, die Tsugaru Herrscherfamilie beherrschte ihre Domäne von dieser Burg aus vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Meiji-Restauration etwa 260 Jahre lang.
Natürlich kann sich der Park nicht ausschließlich auf die Kirschblüte stützen. Solche Rankgestelle sind oft ein Zeichen dafür, dass Wisteria gepflanzt wurden, aber hier ist, im Gegensatz zu Tokyo (siehe meinen vorigen Bericht) deren Zeit noch lange nicht gekommen. Im Herbst sind dann Chrysanthemen und buntes Laub geboten, steht im Faltblatt.
Besonders eindrucksvoll ist eine Kirschbaumallee entlang des westlichen Wassergrabens, der sogenannte “Sakura no tonneru” (Kirschblütentunnel).
Bootsfahrten erlauben den Blick vom Wasser aus.
Ein kleinerer Graben nahe der Technischen Oberschule bietet eine schöne Spiegelung.
Ich habe mir ein Kombiticket für die innere Burgfestung (Honmaru), den Botanischen Garten im Burgpark und den benachbarten Fujita Gedenkgarten gekauft (510 Yen, sonst jeweils 310 Yen), und wende mich daher nach Süden, um mit dem Fujita Garten zu beginnen. Dabei komme ich im Ninomaru beim Inneren Südtor an einer ebenfalls historischen Trauerkirsche (Shidarezakura) von 1914 vorbei.
Der ursprüngliche fünfstöckige Hauptturm der Hirosaki-Burg brannte 1627, schon bald nach seiner Errichtung 1611, nach Blitzschlag ab und der heutige dreistöckige Turm stammt von 1811, was ihn noch zu den zwölf aus der Edo-Zeit erhaltenen Burgtürmen Japans zählen lässt.
Hier im Ninomaru befinden sich dagegen zwei der drei Wehrtürme, die noch aus der ersten Bauphase der Burg stammen. Beispielhaft hier ein Foto des Tatsumi-no-yagura.
Mit einem weiteren Anblick der Kirschblüte wende ich mich zunächst vom Burgpark ab.
Der “Fujita Memorial Japanese Garden” soll der zweitgrößte japanische Garten in Tohoku sein. Errichtet wurde er zunächst im Auftrag des erfolgreichen in Hirosaki ansässigen Unternehmers Ken’ichi Fujita (1873-1946), der als bester Geschäftsmann Japans gesehen wurde und auch als Wohltäter sehr aktiv war. Seit 1991 ist der Garten, der inzwischen der Stadt gehört, der Öffentlichkeit zugänglich. Das Handout bestehend aus einem bunten japanischen Faltblatt mit Lageplan und einem englischen Einleger verwirrte mich zunächst ein wenig. Dass man von hier einen schönen Blick auf den Iwaki-san gehabt hätte, lese ich jetzt gerade.
In der Nähe des Eingangs befinden sich das Japanische Haus, das Westliche Haus und ein kleines Archäologiemuseum.
Auch hier ist natürlich die Kirschblüte präsent.
Eine Besonderheit des Gartens ist die Lage an einer 13 Meter hohen Geländestufe, die ihn in einen oberen und unteren Bereich teilt und einem größeren Wasserfall Raum gibt.
Faszinierend fand ist diesen bizarren Baum, der sich selbst umschlingt, als ob er sich hochheben wollte. Ja, soweit ich erkennen konnte, gehören diese Äste alle zur gleichen Pflanze!
Ein Sumpf mit Zickzackbrücke, ein See mit Insel, Stzeinlaternen… es ist schon alles geboten, was einen japanischen Garten schön macht.
Ich schätze, die kontemplative Stimmung kam bei mir nicht auf, weil ich noch einige Ziele vor mir hatte.
Sehr schön diese Magnolien.
Diese gefüllte Kamelienblüte stielt jeder Rose die Schau, behaupte ich. So ebenmäßig und rein in der Farbe…
Nach einem kurzen Blick in die Archäologiesammlung verließ ich den Fujita-Garten und wandte ich mich wieder dem Burgpark zu. Seine Südostecke nimmt ein Arboretum, ein botanischer Garten, ein, mein nächstes Ziel.
Unterwegs mal wieder ein herrlicher Anblick der Kirschblüten am Baum und auf dem Wasser.
Das englische Handout zum Arboretum enthält neben einem Lageplan auch einen Blühkalender. Für die Breite der Pflanzen war ich eher zu früh dran, und Kirschblüten sind ja auch außerhalb reichlich zu sehen.
Die Vielfalt ist hier doch größer als “draußen”.
Der Kontrast mit der Forsythie ist auch nett.
Die weißen Blütentrauben rechts erinnern ein bisschen an Feuerwerk.
Blühpflanzen im Jahresverlauf, diverse Bäume und Gartenformen, später im Jahr kommen Lotus und “Smoke Tree” (wohl ein Baum mit ganz kleinen, von weitem rauchig-diffus wirkenden Blüten) zur Geltung.
Der Sannomaru Garten symbolisiert Wasser durch Schotter. Folgerichtig, dass ein Wasserfall durch Felsnadeln dargestellt wird, so interpretiere ich das zumindest.
Hier noch ein recht hübsch bepflanztes Blumenbeet, mit sonnendurchfluteten Kirschblüten dahinter.
Vom 23.4. bis 5.5., also während des Kirschblütenfests, ist das Honmaru-Gelände statt von 9-17 Uhr von 7-21 Uhr geöffnet, deshalb hatte ich mir das auch zum Schluss aufgehoben.
Vom Osteingang kommt man zunächst zum Nordteil, Kita-no-Kuruwa, in dem sich einige Überreste ehemaliger Gebäude befinden. Der Neno-Turm war ein weiterer Eckturm, seine Grundsteine sind von einer Kamelienhecke umgeben, gefüllte rote Kamelienblüten, sehr hübsch:
Im Butokuden Rest House kann man sich gegen Gebühr in historischen Gewändern kleiden, um damit Fotoshootings zu machen.
Nun geht es über die Brücke zum Honmaru, dem innersten Festungsteil, der durch einen weiteren Wassergraben und die höchste Aufmauerung gesichert ist. Die beiden hier haben aber wohl keine historischen Gewänder ausgeliehen, sondern ihren eigenen Stil mitgebracht.
Der Iwaki-san steht jetzt leider genau im Gegenlicht der Abendsonne.
Auch diese höchste Plattform des Burggeländes ist natürlich mit Kirschbäumen bepflanzt. Insgesamt enthält der Park etwa 2600 Kirschbäume, von denen viele in der Zeit nach der Öffnung des Geländes als Park 1895 von Bürgern gestiftet wurden.
Was den Hauptturm betrifft, gibt es momentan eine Sondersituation. Normalerweise würde er sich nämlich an dieser Ecke der Steinmauer befinden:
Um eine Untersuchung und Sanierung der Steinmauer zu ermöglichen, wurde er aber letzten Sommer von dort in mehreren Schritten zur Mitte der Honmaru-Fläche verschoben.
Der Turm hat auch sonst eine Besonderheit: Nur zwei der vier Seiten, nämlich die, die an der Ecke von weit her sichtbar sind, haben die für japanische Burgen typische Struktur mit den eingesetzten Dachgiebeln:
An den anderen Seiten, hier links, gibt es dagegen nur ein gerades Dach an jedem Stockwerk.
Das war mein Tag in Hirosaki. Im Ryokan angekommen, war mir nicht mehr danach, für die Nachtbeleuchtung nochmal rauszugehen, obwohl der Weg nicht weit war - ich wollte nur noch schlafen. ;)
Zum Abschluss mal keine Kirschblüte, sondern eine Azalee:
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