Für zwei Nächte hatte ich mich in Shiretoko-Shari einquartiert, am nächstgelegenen Bahnhof zum Nationalpark Shiretoko, der eine etwa 70km lange und anfangs 25km breite Halbinsel im Nordosten von Hokkaido umfasst. Von Shari fährt ein Linienbus über das zum Tourismuszentrum ausgebaute Fischerdorf Utoro bis zu den Shiretoko-Goko, einer Gruppe von fünf Seen (go=fünf, ko=see) unweit der Nordküste.

Was ich bei meinen Buchungen im warmen Tokyo nicht bedacht hatte: Hier ist es noch Winter!

Bei meiner Ankunft am 30.4. war es sehr stürmisch, und Wolken versperrten die Sicht auf die Umgebung. Am 1.5. nachmittags war es endlich sonnig, und der Blick auf den ersten See war fantastisch:

Shiretoko Goko: erster See und Umgebung

Shiretoko Goko: erster See und Umgebung

Aber das war ein echtes Glück, denn am Morgen hatte es noch anders ausgesehen. Daher erstmal der Reihe nach…

Die Bahnfahrt von Asahikawa habe ich in einem eigenen Eintrag beschrieben.

In Shiretoko-Shari angekommen, erfahre ich, dass heute der Bus nicht bis Shiretoko-Goko (Fünf Seen) fahren konnte, die Straße war noch gesperrt. Wie es morgen aussieht, bleibt abzuwarten. Sehr praktisch: mein Hotel Route Inn Grantia ist gleich gegenüber von Bahnhof und Bushaltestelle.

Am Abend wage ich mich noch in dem Sturm hinaus für einen Spaziergang. Am Fischerhafen sind viele der Boote noch aufgeständert, also nach der Winterpause noch nicht wieder zu Wasser gelassen.

Shiretoko-Shari, viele Fischerboote sind noch in Winterpause

Shiretoko-Shari, viele Fischerboote sind noch in Winterpause

Ein Ziel meines Spaziergangs war, einen Seven-Eleven zu finden und Geld abzuheben. Schließlich sehe ich einen an einer größeren Straßenkreuzung. Unterwegs ist der Gehweg teilweise mit 30cm Schnee bedeckt, offenbar das Ergebnis von Verwehungen.

Am nächsten Morgen hat der Wind nachgelassen, aber es ist trüb. Die Dame vom Bus Terminal erklärt, dass der Bus nur bis zum Nature Center fährt, nicht zu den Fünf Seen. Ich kaufe das Ticket dorthin (1800 Yen), dort soll man immerhin Informationen und einen Film zu sehen bekommen und ein Wasserfall ist mit einer kurzen Wanderung erreichbar.

Shiretoko-Shari: der Shari Bus mit Ziel „Shiretoko Nature Center“ steht bereit

Shiretoko-Shari: der Shari Bus mit Ziel „Shiretoko Nature Center“ steht bereit

Der Busfahrer spielt ein wenig Fremdenführer, verlangsamt seine Fahrt bei Sehenswürdigkeiten oder hält gar mal kurz an. Vor Utoro passieren wir die Oshinkoshin Wasserfälle. Sie stürzen links schräg am Hang herunter, daneben gibt es Treppen zur Nahbesichtigung. Nett wäre es schon, hier auszusteigen und die Wasserfälle aus der Nähe zu sehen. Aber der nächste Linienbus fährt in drei Stunden, also muss ein Foto durchs Busfenster genügen.

Shiretoko: Oshinkoshin Wasserfälle von Bus aus gesehen

Shiretoko: Oshinkoshin Wasserfälle von Bus aus gesehen

Unterwegs eine gute Nachricht: vor Utoro verkündet der Busfahrer, dass die Straße zu den fünf Seen geöffnet wurde, er wird also bis zur planmäßigen Endstation dort fahren. Unterwegs weist er uns auf einen Zwerghirsch hin (bereits haltende Autos waren ein Zeichen) und hält kurz an für ein Foto aus dem Bus.

Shiretoko: Zwerghirsch (Shika) im Schnee

Shiretoko: Zwerghirsch (Shika) im Schnee

Das ist übrigens die gleiche Tierart, die auch die Parks von Nara bevölkert. Das dicke Winterfell ist einfarbig graubraun, das Sommerfell ist rotbraun mit hellen Tupfen.

Am Nature Center steige ich nicht aus, schließlich hatte ich mich ja vor allem auf die Fünf Seen gefreut. Kurz vor dieser Endstation, bei Iwaobetsu, macht die Straße sogar ein paar Serpentinen.

Shiretoko, Tal bei Iwaobetsu

Shiretoko, Tal bei Iwaobetsu

Am Parkplatz der Fünf Seen sind die Männer noch mit Schneeräumen beschäftigt. Sowohl die Straße über den Shiretoko-Pass nach Rausu als auch der Schotterweg von hier zu den Kamuiwakka Warmwasserfällen sind noch gesperrt.

Shiretoko-Goko Parkplatz: Männer beim Schneeräumen

Shiretoko-Goko Parkplatz: Männer beim Schneeräumen

An den Shiretoko-Seen gibt es einen aufgeständerten Weg, der behindertengerecht drei Aussichtsplattformen erschließt und den Blick auf den ersten der fünf Seen ermöglicht. Ein Elektrozaun hindert Bären daran, diesen Touristenweg zu erklettern. Daneben gibt es zwei Wege am Boden, von denen der kürzere auch den zweiten See und der längere alle fünf Seen erreicht. Die Wege am Boden sind vom 10. Mai bis Ende Juli, der sogenannten „Bear-aware Season“, nur in Gruppen mit Führer zugänglich, vorher und nachher nach einer Einweisung auch im Alleingang.
Beide Bodenwege waren wegen der Schneelage gesperrt, also gab es auch keine Einweisung mit Zertifikat.

Shiretoko Goko: aufgeständerter Weg

Shiretoko Goko: aufgeständerter Weg

Die Sicht war leider sehr schlecht, es war neblig, wobei die Lage immer wieder ein wenig wechselte.

Shiretoko Goko: schon der weitere Weg verschwindet im Nebel

Shiretoko Goko: schon der weitere Weg verschwindet im Nebel

auch die Sicht auf den ersten See hält sich in Grenzen

auch die Sicht auf den ersten See hält sich in Grenzen

Am Ende des aufgeständerten Weges befindet sich eine Schleuse, wo die Wanderer vom Boden heraufgehen, um den aufgeständerten Weg als Rückweg zu nutzen. Ein Abstieg zum Boden ist dagegen nicht erlaubt.

Shiretoko Goko: Vom Bodenweg kann man hier herauf, aber hinunter darf man nicht

Shiretoko Goko: Vom Bodenweg kann man hier herauf, aber hinunter darf man nicht

Blick auf den gesperrten Bodenweg, stellenweise 50cm tief verschneit

Blick auf den gesperrten Bodenweg, stellenweise 50cm tief verschneit

Shiretoko Goko: See eins von der Aussichtplattform aus

Shiretoko Goko: See eins von der Aussichtplattform aus

Auf dem Rückweg wurde das Wetter ein bisschen sichtiger.

Shiretoko Goko: jetzt ist der Weg deutlicher zu sehen

Shiretoko Goko: jetzt ist der Weg deutlicher zu sehen

Es war denkbar, dass es weiter aufklaren würde, allerdings gab es außer dem aufgeständerten Weg ringsherum nichts zu tun. Der Bus zurück ging entweder um 10:40 oder um 14:00, ich entschied mich, mit dem ersten Bus zum Nature Center zu fahren.

Das Nature Center ist ein, wie in Japan üblich, sehr gut gemachtes Informationszentrum über die Tierwelt und die Arbeit der Parkschützer. Hier eine Informationstafel zur Lebensweise des Bären.

Shiretoko Nature Center: Informationstafel zur Lebensweise des Braunbären

Shiretoko Nature Center: Informationstafel zur Lebensweise des Braunbären

Kurz nach meiner Ankunft, um 11 Uhr, begann ein 15-minütiger Kurzvortrag über das Eichhörnchen. Beamerbilder wurden ergänzt durch geschriebene Anmerkungen, Live-Kamerabild eines Skeletts und herumgereichte Modelle wie z.B. eine Eichel, die im Verhältnis zur Handgröße auf Menschen vergrößert wurde. Ganz schön schwer auch!

Shiretoko Nature Center: Vortrag über das Eichhörnchen

Shiretoko Nature Center: Vortrag über das Eichhörnchen

Anschließend haben mich die Furepe Wasserfälle interessiert, die mir auch in der Tourist Info für den Fall, dass die Fünf Seen nicht zugänglich wären, als Ziel genannt worden waren. Sie sind von Nature Center aus auf einem kurzen Fußweg erreichbar.

Shiretoko Nature Center: Lageplan der Furepe Wasserfälle

Shiretoko Nature Center: Lageplan der Furepe Wasserfälle

Auf dem Weg wurde der Schnee immer dünner, während er im Wald noch dick gelegen hatte. Offenbar hatte der Wind vom Meer her den Schnee auf der offenen Grasfläche schon weitgehend weggeblasen, so dass die Sonne den Rest leichter schmelzen konnte.

Shiretoko Nature Center: Weg zum Furepe Wasserfall

Shiretoko Nature Center: Weg zum Furepe Wasserfall

Shiretoko Nature Center: eine Beobachtungsplattform ermöglicht den Blick auf den Furepe Wasserfall

Shiretoko Nature Center: eine Beobachtungsplattform ermöglicht den Blick auf den Furepe Wasserfall

Der Wasserfall selber war nicht spektakulär, eher ein Rinnsal, das der Berg da „ausweint“. Es handelt sich nicht um Oberflächenwasser, sondern um Quellen in der Felswand.

Shiretoko Nature Center: Furepe Wasserfall

Shiretoko Nature Center: Furepe Wasserfall

Eindrucksvoll fand ich am diesen Punkt, wie das Meer hier an den Klippen aufschlägt.

Shiretoko Nature Center: Gischt an den Klippen unter dem Furepe Wasserfall

Shiretoko Nature Center: Gischt an den Klippen unter dem Furepe Wasserfall

Auf der schneefreien Wiese finden sich sofort zahlreiche Hirsche, die sich das wieder zugängliche Gras schmecken lassen.

Shiretoko Nature Center: äsende Hirsche oberhalb der Furepe Wasserfälle

Shiretoko Nature Center: äsende Hirsche oberhalb der Furepe Wasserfälle

Spannend, wie dieser Baum aus der Spalte des Stammes weitere Äste treibt:

Shiretoko Nature Center: bizarrer Baum bei den Furepe Wasserfällen

Shiretoko Nature Center: bizarrer Baum bei den Furepe Wasserfällen

Laut der Landkarte im Center handelt es sich hier um Urwald. Er setzt sich aus Birken, anderen Laubhölzern, und einzelnen Nadelbäumen zusammen.

Shiretoko Nature Center: Urwald nahe den Furepe Wasserfällen

Shiretoko Nature Center: Urwald nahe den Furepe Wasserfällen

Ich war mit dem Bus um 10:53 am Nature Center angekommen. Der nächste Bus würde um 14:13 fahren, ich beschloss daher, zu Fuß nach Utoro zu gehen, etwa 5km und eher bergab.

Überall auf Hokkaido finden sich solche Pfeile, die von oben auf den Straßenrand zeigen. An der linken Seite sind sie rot-weiß gestreift, an der rechten Seite weiß mit gelber Spitze. Ich vermute, sie dienen dem Schneepflug oder anderen Fahrzeugen zur Orientierung, wenn die Fahrbahn zugeschneit ist.

Shiretoko, Straße nach Utoro: solche Pfeile markieren auf Hokkaido den Fahrbahnrand

Shiretoko, Straße nach Utoro: solche Pfeile markieren auf Hokkaido den Fahrbahnrand

Kap Puyuni ist ein Aussichtspunkt mit Blick auf Utoro.

Shiretoko, Blick von Kap Puyuni auf Utoro

Shiretoko, Blick von Kap Puyuni auf Utoro

Dieser Rabe ist offenbar beim Nestbau, er hat ein Büschel im Schnabel, das doppelt so groß ist wie sein Kopf.

Shiretoko, Straße nahe Kap Puyuni: Rabe mit Nestbaumaterial

Shiretoko, Straße nahe Kap Puyuni: Rabe mit Nestbaumaterial

Bei Utoro machen sich zwei Schneefräsen auf den Weg zum Einsatzort, vielleicht um den Shiretoko Pass freizumachen. Die beiden Schneefräsen werden von einem Schneepflug gefolgt.

Shiretoko, bei Utoro: Schneefräse

Shiretoko, bei Utoro: Schneefräse

Shiretoko, bei Utoro: Schneepflug bei der Ausfahrt aus der Straßenmeisterei

Shiretoko, bei Utoro: Schneepflug bei der Ausfahrt aus der Straßenmeisterei

Inzwischen habe ich Utoro erreicht. Das ehemalige Fischerdorf hat sich als Gateway zum Nationalpark touristisch aufgestellt. Es gibt Fahrrad- und Bootstouren zu chartern, nur nicht jetzt.

An diesem Karussell drehen sich Fische, wohl um die Trocknung zu beschleunigen.

Utoro, Karussell zum Fischtrocknen

Utoro, Karussell zum Fischtrocknen

Durch den Tunnel in diesem Felsen geht es zum Hafen für Ausflugsboote.

Utoro, dieser Tunnel im Felsen führt zum Hafen für Ausflugsboote

Utoro, dieser Tunnel im Felsen führt zum Hafen für Ausflugsboote

Eine sehenswerte Ausstellung bietet das Shiretoko World Heritage Conservation Center in einem Flachbau nahe dem Hafen von Utoro. Hier bieten zahlreiche Informationstafeln, Modelle und Experimente für alle Altersgruppen Auskunft über die Tierwelt und die Zusammenhänge im Nationalpark und Weltnaturerbe Shiretoko.

Utoro,  Shiretoko World Heritage Conservation Center

Utoro, Shiretoko World Heritage Conservation Center

Ein Faktor ist das Drifteis, das sich wegen des Süßwassereintrags des Amur an der Oberfläche des Okhotskischen Meeres bildet, und dessen hoher Planktongehalt für die Nahrungskette im Park eine Rolle spielt. Nach seiner Bildung schwimmt es auf dem Meer und erreicht einige Monate später im März die Küste von Shiretoko. Zum Park gehört übrigens neben der Landfläche der Shiretoko-Halbinsel auch ein Streifen des umliegenden Meeres.

Utoro,  Shiretoko World Heritage Conservation Center: Beispieltafel Drifteis

Utoro, Shiretoko World Heritage Conservation Center: Beispieltafel Drifteis

Nebenan gibt es ein Restaurant mit Imbiss, dort hat man die Wahl zwischen Hirsch-, Braunbär- und Lachs-Burgern. Der Braunbär schmeckt gar nicht schlecht!

Utoro, Menü im Shiretoko-Imbiss, z.B. Braunbärburger

Utoro, Menü im Shiretoko-Imbiss, z.B. Braunbärburger

Inzwischen ist strahlend blauer Himmel. Ich fahre mit dem Bus um 15:10 nochmal zu den fünf Seen (an 15:35). Eine gute Entscheidung! Die Landschaft präsentiert sich nun viel schöner als am Vormittag. Sowohl die Straße zum Shiretoko-Pass als auch die zu den Kamuiwakka-Warmwasserfällen sind nach wie vor gesperrt. Auch an den Seen sind die Bodenpfade weiterhin zu und das soll laut Personal auch in den nächsten Tagen noch so bleiben. Meine Route ist also die gleiche wie am Vormittag: der aufgeständerte Weg.

Shiretoko Goko: ein kleiner Tümpel

Shiretoko Goko: ein kleiner Tümpel

Shiretoko Goko: die Einschläge von Schneebällen zeigen, dass dies kein Eis, sondern schwimmender Schneematsch ist.

Shiretoko Goko: die Einschläge von Schneebällen zeigen, dass dies kein Eis, sondern schwimmender Schneematsch ist.

Shiretoko Goko: nun ist das Meer deutlich zu erkennen, am Vormittag konnte man es nur erahnen

Shiretoko Goko: nun ist das Meer deutlich zu erkennen, am Vormittag konnte man es nur erahnen

Shiretoko Goko: auch die Berge sind zu sehen, nur die Gipfel bleiben wolkenverhüllt

Shiretoko Goko: auch die Berge sind zu sehen, nur die Gipfel bleiben wolkenverhüllt

Shiretoko Goko: ein Baum wächst aus dem Wasser

Shiretoko Goko: ein Baum wächst aus dem Wasser

Im 20. Jahrhundert waren Teile des Shiretoko landwirtschaftlich genutzt, und verwilderten anschließend. Ein Landkaufprojekt ermöglichte es Spendern, jeweils 100m² Park zu kaufen, und ein Aufforstungsprojekt versucht den Urzustand wiederherzustellen. Wo Altbäume fehlen, müssen Windzäune die jungen Bäume schützen, die sich sonst im Sturm nicht entwickeln könnten.

Shiretoko Goko: die Windzäune rechts sind Teil eines Aufforstungsprogramms

Shiretoko Goko: die Windzäune rechts sind Teil eines Aufforstungsprogramms

Shiretoko Goko: im Sonnenschein werden die durch Windverwehung entstandenen Strukturen im Schnee deutlich

Shiretoko Goko: im Sonnenschein werden die durch Windverwehung entstandenen Strukturen im Schnee deutlich

Shiretoko Goko: schöne Spiegelung im ersten See

Shiretoko Goko: schöne Spiegelung im ersten See

Shiretoko Goko: hier sieht man die Spiegelung der Berge im ersten See

Shiretoko Goko: hier sieht man die Spiegelung der Berge im ersten See

Hinter dem Parkplatz für die fünf Seen befinden sich zwei nebeneinanderliegende Gebäude. Das rechte ist das Informationszentrum, in dem über die aktuelle Lage informiert und die Einweisung für die Bodenwanderung abgehalten wird. Links daneben befindet sich ein Imbiss und Shop.

Shiretoko Goko: im Shop gibt es neben diversen Souvenirs auch Konserven (links) mit Hirsch- und Braunbärfleisch.

Shiretoko Goko: im Shop gibt es neben diversen Souvenirs auch Konserven (links) mit Hirsch- und Braunbärfleisch.

Zum Abschluss noch ein Foto nach der Rückkehr nach Shari, aufgenommen neben dem Hotel, mit Mt. Shari hinter dem Ort.

Blick von Shiretoko-Shari (Kreuzung vor dem Bahnhof) auf Mt.Shari

Blick von Shiretoko-Shari (Kreuzung vor dem Bahnhof) auf Mt.Shari